Weißig im Web: Nach dem Krieg

Nach dem Krieg

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Dafür belebt sich der Gaststättenbetrieb zusehends. Bier und andere alkoho-
lische Getränke sind reichlich vorhanden, nur Brot und Fleisch fehlen. Das soll
sich für kurze Zeit ändern. Liesbeth Eckardt, Tochter von Rudolf Melka, bietet
im ehemaligen Fleischerladen Süß- und Backwaren an. Leider nur für kurze
Zeit. Gleichzeitig hält sie den Gaststättenbetrieb auf Pachtbasis ab April 1952
aufrecht.
Neues Leben in der Gaststätte

Schon seit Mai 1947 probt der Gesangverein wieder
im Vereinszimmer. Es bleibt nicht nur beim Singen.
In den Gesangspausen und nach der Chorprobe
müssen die trockenen Kehlen angefeuchtet werden.
Und Anfang 1953 kommen noch 30 Sängerinnen
dazu. Im Saal finden wieder Chorkonzerte statt. Kapellen aus der näheren und
weiteren Umgebung spielen zum Tanz auf, meist die "Optimisten" aus Wiednitz.

Schulkinder und Jugendliche proben und führen Theaterstücke auf. Wöchentlich
kommt der Landfilm, baut seine Armaturen im Vereinszimmer und die Leinwand
in der Gaststube auf. Die Einwohner sitzen dichtgedrängt und folgen dem Ge-
schehen von mehr oder weniger neuen Filmstreifen. Eigens zur Programmge-
staltung wird ein Filmaktiv gegründet; die Zuschauer sollen Mitspracherecht
erhalten. Auch das "Deutsche Rote Kreuz" lehrt in der Gaststube seinen Mit-
gliedern die Grundbegriffe der Ersten Hilfe. In dieser Zeit floriert das Geschäft.
Nur die Kegelbahn ist leider verfallen.

Auch nach dem II. Weltkrieg versucht die "Obrigkeit", diesmal der Rat des
Kreises Kamenz, Sanktionen festzulegen und fordert eine Getränkesteuer von
15%. Der Gemeinderat widersetzt sich dieser Anordnung und beschließt am
12. Juni 1947:

"Die Erhöhung der Getränkesteuer von 10% auf 15% wurde einstimmig abgelehnt, da die Bauern für ihre Erzeugnisse auch keine
höheren Sätze bekommen".

Tanzvergnügen in Melkas Gasthof

Ein Tanzabend in einer Dorfgaststätte war in den 50er und auch noch in den 60er Jahren etwas Besonderes, Einmaliges.
Ernst Prescher erinnert sich:

Im Vergleich zu den heutigen Tanzabenden mit Musik von Platte oder Band, Disco genannt, spielten immer kleinere Kapellen zum
Tanz auf. Vielleicht waren es die Skaskaer Musiker oder die Milstricher Blasmusikanten. Meist war die Besetzung gleich, je ein
Klavierspieler, Trompeter, Saxophonist und ein Schlagzeuger.

Im Saal von Melkas Gasthof standen um die Tanzfläche Tische und Stühle, und es gab an einer Längsseite eine durchgehende
Bank für die "Weißiger Presse". Ich glaube, bis zum 16. Lebensjahr haben wir uns nicht getraut, den Tanzsaal zu betreten.
Dazu waren die Gesetze zum Schutz der Jugend  sehr streng.

Nun waren wir aber auch in diesem Alter sehr neugierig, wollten wissen, vor allem aber auch sehen, was sich Sehenswertes im
Saal abspielte.Da waren die Fensterplätze von außen bei uns sehr gefragt. So einen bei uns sehr begehrten Platz zu besetzen,
war nicht ganz einfach. Erstens waren es zu viele Interessenten, die die Tanzfläche beobachten wollten. Zweitens war der
Fenstersims sehr schmal und, vom Erdboden aus gesehen, sehr hoch. Leider gab es an den Fenstern keinen Vorsprung, um sich
ein wenig mit den Händen festzuhalten. So hat öfter einer das Gleichgewicht verloren, und nur ein gekonnter Absprung rettete
ihn vor einer unsanften Landung.

Mit dem Erreichen des 16. Lebensjahres durften wir dem Gesetz nach auch auf den Tanzsaal. Pünktlich um 22 Uhr intonierte die
Kapelle einen Tusch. Es wurde verkündet, dass alle Jugendlichen unter 18 Jahren den Saal zu verlassen haben. Nun war "guter
Rat teuer", verlässt man den Saal oder nicht. Sehr oft stand plötzlich etwas "Grünes" an der Eingangstür. Es erfolgte die
Ausweiskontrolle durch die Volkspolizei. Wer bis dahin den Saal nicht verlassen hatte, der hatte großes Pech gehabt.
Heute ist diese Situation nicht vorstellbar. Um 22 Uhr hat die Disco vielleicht noch gar nicht begonnen.

War man in eine Kontrolle geraten, war ein Bußgeld fällig. Da gab es bei Werner Donner, so hieß der ABV (Abschnittsbevoll-
mächtigter), keine Gnade. Wie tief da in die Tasche gegriffen werden musste, ist nicht mehr in Erinnerung. Ein großer Geldbetrag
wird es wohl nicht gewesen sein, aber bei dem wenigen Lehrlingsgeld (monatlich ca. 50 Mark) tat es verdammt weh.

Wollte man zu Beginn der Tanzveranstaltung in den Tanzsaal, musste jeder an der am Eingang sitzenden, korpulenten Gastwirtin
Anna Melka vorbei. Sie kassierte das Eintrittsgeld und achtete sehr darauf, dass alle Tanzwilligen den notwendigen Obolus bei ihr
entrichtet haben. Ich glaube, es waren 2,10 Mark. Ich erinnere mich an diese Summe, weil wir Jungen uns einmal ausgemacht
hatten, bei einer Tanzveranstaltung in Lieske jeder den Eintritt mit 210 Pfennigen zu bezahlen. Karlchen, so hieß der Wirt, war
davon nicht begeistert. Selbst  wenn der Saal um 22.00 Uhr verlassen werden musste, gab es keinen Rabatt. Es musste der
volle Preis bezahlt werden.

Wurde eine Tanzpause angekündigt, versorgte die Wirtin das Parkett mit flüssigem Wachs, um es gleitfähiger zu machen.
Während der Pause leerte sich merklich der Saal. Viele, sowohl Männlein und Weiblein, zog es an die frische Luft, in die Dunkelheit.
Oft zu zweit, aber auch in kleinen Grüppchen oder allein, in der Hoffnung, draußen noch etwas zu finden.

Erwähnt hatte ich anfangs die lange Bankreihe für die "Weißiger Presse". Dort hatten Mütter und Großmütter Platz genommen.
Es sei bemerkt, dass auf diesen Plätzen keine Väter oder Großväter anwesend waren. Sie hatten ihre Stammplätze in der
Gaststube und vergnügten sich beim Doppelkopf. Die "Presse" beobachtete sehr aufmerksam das Geschehen auf der Tanzfläche.
Wer tanzt mit wem? Schau mal, die tanzen schon wieder miteinander. Hast du gesehen, die Hilde war mit dem Max in der Pause
an der frischen Luft. Ob die beiden etwas miteinander haben?

So oder so ähnlich könnten die Gespräche verlaufen sein. Das Erlebte reichte wieder für Unterhaltungen über den Gartenzaun,
im Konsum oder auf der Dorfstraße. Der Tanzabend endete immer mit dem Musikstück "Auf Wiedersehen". Bis dahin gab es viele
Verabredungen, wer bringt welches Mädchen nach Milstrich, Lieske oder in Weißig selbst nach Hause.

Häufiger Betreiberwechsel

Vom 1.Oktober 1955 bis zum Februar 1958 übernimmt Ingeborg Melka, die Tochter des damaligen Kinderheimleiters Walter
Burkhardt, die Geschäfte als Wirtin. Dazu erhält sie mit ihrem Ehemann, Rudolf Melka jun., eine Wohnung im Gasthof.

Der Gemeinderat beschließt am 29.9.1955:
"Melka jun. und W. Burkhardt werden in die bisher von Fam. Oswald und Fam. Eckhardt innegehabten und bewohnten Wohnräume
umgesetzt. Fam. Eckhardt wird in die von Fam. Petzschel gemietete Wohnung in Anbetracht der Personenzahl (5) eingewiesen und
Fam. Petzschel bezieht die Dienstwohnung des Kinderheimes."

Für nur zwei Monate übernimmt Walter Burkhardt im März 1958 die Funktion des Gastwirtes.
Danach übergibt er, am 1.Mai 1958, das Geschäft an Fräulein Rudel, die später Frau Metzger heißt.

Das Gebäude verfällt

Die Gründe, welche Erwin Metzger dazu bewegen, Grundstück und Gebäude 1958 zu kaufen, sind nicht bekannt. Jahrzehnte lang
ist in das Haus nichts investiert worden, es verfällt zusehends. Das betrifft sowohl das Wohnhaus mit angeschlossenem Toiletten-
trakt, als auch Saal und Bühne.
Ansicht der Nordseite des Saales vor der Rekonstruktion

Die gesamte Schieferdacheindeckung von Saal und Bühne einschließlich der Dachrinnen und Regenfall-
rohre ist defekt und muss erneuert werden. Regenwasser dringt durch Dach und Decke und verursacht
am historischen Deckengemälde und am Putz erhebliche Schäden. Die Schornsteinköpfe drohen abzu-
stürzen und sind zu erneuern. Das Dach vom Toilettengebäude ist undicht und ist neu zu decken. Der
Außen- und Innenputz muss teilweise erneuert werden.

Im Gastzimmer ist die Beleuchtungsanlage zu erneuern und zur Geräuschminderung für die darüber liegenden Wohnungen ist eine
Zwischendecke einzuziehen. Alle Türen und Fensterrahmen sowie alle Wände sind zu streichen. Die durchfeuchteten Decke und
Wände im Saal kann man auf der alten Abbildung erkennen.

Schließung der Gaststätte

Alle diese Gründe führen dazu, dass am 1. November 1958 die Gaststätte geschlossen wird. Das gesellschaftliche Leben des Ortes
verlagert sich nun in das Schloss. Alle Veranstaltungen, die keinen Saal benötigen, wie Rentnerfeiern, Gemeinderatswahlen,
Landfilm  und anderes, finden im Kinderheim statt.

Die Gemeinde will aber diesen desolaten Zustand beenden und der Gemeinde wieder eine funktionierende Gaststätte schaffen.

Unter Federführung von Herbert Noack gelingt es dem Gemeinderat, einen Kredit zur Rekonstruktion des Gebäudes  zu beschaffen.
Kostenvoranschlag auf der Preisbasis von 1966: 32.128,43 Mark. Umfangreiche Bauarbeiten (Abb. oben) bestimmen jahrelang das
Bild in und um die Gaststätte.

Rekonstruktion des Gaststättenkomplexes

Durch die Oßlinger Baufirma Joachim Makatsch beginnen 1966 umfangreiche Baumaßnahmen. Für die Bauzeit wird das Haus
leergeräumt, die Familie Metzger bezieht zeitweise in der "Villa", dem alten Fachwerkhaus neben dem Schloss, ihr Domizil.

Zahlreiche Schwierigkeiten begleiten den Bau; oftmals fehlen Material oder Arbeitskräfte. Ein Brand im Januar 1970 durch einen
unbeaufsichtigten Kokskorb  verzögert den Bau zusätzlich.
 
Nach dreijähriger Bauzeit ist es soweit. Zur Kirmes 1970 wird die Gaststätte
durch die Konsumgenossenschaft Kamenz mit dem Gastwirtsehepaar
Proksch neu eröffnet. Gaststättenleiterin wird Margarete Proksch. Aber nicht
alles ist zu diesem Zeitpunkt geschafft; der renovierte Saal wird erst im
August 1971 fertig.

Familie Proksch führt dieses Geschäft fast fünf Jahre lang. Danach nimmt Familie
Metzger die Fäden wieder in die Hand.

Gründung des Dorfklubs

In dieser Zeit, nämlich im Jahre 1979, gründet sich der Dorfklub unter dem Vorsitz
von Roberto Rehork. Im Saal sind wieder Familientanzabende, Jugend- und Disco-
veranstaltungen zu erleben. Viele Veranstaltungen, wie Ostertanz, Sommernachtsball, Weinfest, Erntefest, Silvestertanz  und 
Fasching werden geplant und organisiert. Die 25 Mitglieder des Dorfklubs sind besonders zu den Faschingsveran-staltungen aktiv.
Sie gestalten beispielsweise 1985 den Saal unter dem Motto "Im Reiche Neptuns" zu einem echten Neptunrevier. Der Erfolg macht
mutig, so dass 1986 gleich zwei Veranstaltungen unter dem Thema "Weißiger Burgfasching" und im Jahre 1987 "Im Weißiger
Märchenland" über die Bühne gehen.

Nach Familie Proksch, vom Mai 1981 bis Juni 1986, steht Familie Skudlarek hinterm Tresen,
bevor vom Juni 1986 bis März 1989 Sybille und Uwe Appenheimer das Geschäft übernehmen.

1989 strebt Familie Metzger, der das Gebäude immer noch gehört, den Verkauf der Gaststätte an,
findet jedoch keinen Käufer. Sie entschließt sich deshalb zur Schenkung an den Staat, die am
1.1.1989 rechtskräftig vollzogen wird.

Starker Umsatz zur Wendezeit

Würdevoll steht Konrad Beyer hinterm Tresen. Mit sicherer Hand füllt er die Gläser
bis zum Eichstrich voll.

Im April 1989 übernehmen Annelies und Konrad Beyer vom Konsum auf Pachtbasis den Gaststätten-
betrieb. Eine immense Arbeit steht bevor, und die Zeit drängt, denn Himmelfahrt 1989, also nach
wenigen Wochen, sollen wieder Gäste empfangen werden. Alles wird mit Hilfe von Freunden gründlich
darauf vorbereitet; Saal, Gaststube, Küche, Toiletten. Die Gaststube wird gemalert, Gardinen genäht
und angebracht, neue schmiede eiserne Leuchten erhellen das Innere. Zuletzt noch geben frische
Birken dem Saal ein frühlingshaftes Fluidum. Himmelfahrt kann kommen.

Konrad steht hinterm Tresen, seine Frau Annelies als gelernte Köchin zaubert in der
Küche das Essen. Während die Schwägerin Marlies Gerlitz umsichtig die Gäste
bedient. Die Getränkekarte ist reichhaltig. Ein Bier kostet 40, Pfeffi  20 Pfennige.

Die Speisekarte sieht kalte und an Sonn- und Feiertagen warme Speisen vor.
Es gibt etwa 10 - 12 Gerichte, z.B. Feuerfleisch, Ragout fin, Schnitzel mit
Salat oder Pommes, Bauernfrühstück, Bratkartoffeln, Suppen, Soljanka.

Die Gaststube verwandelt sich zur       
"Spielhölle". Im Hintergrund sind die Spielautomaten zu sehen.

Es ist die Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und der ungewissen Zukunft. Der Kon-
sum, der die volkseigene Gaststätte verwaltet, muss das Geschäft an die Treuhand
abgeben. Zeitweise sehen die bürokratischen Vorschriften beim Übergang zur
Währungsunion doppelte Buchführung vor, in der Währung der DDR und der BRD.
Trotzdem läuft das Geschäft gut.
 
Es werden vor und nach der Wende Hochzeiten und Silberhochzeiten gefeiert (im Juni 1989 eine Hochzeit mit 60 Gästen), Brigade-
feiern aus Betrieben umliegender Orte, die Firma Bathow aus Straßgräbchen mietet den Saal, Großveranstaltung zur Auflösung der
LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) mit 200 Beteiligten, die Geburtstagsfeier eines 80-jährigen Jubilars aus Lieske,
Tanz zu Pfingsten, Kinderfasching, Klassentreffen usw. In den 90er Jahren finden beliebte Discoveranstaltungen statt.
 
Fröhliches Treiben beim Kinderfasching im Saal

Konrad Beyer erweitert noch sein Angebot. Man kann frische Brötchen bei ihm bestellen, die er aus
Kamenz besorgt. Er lässt zwei Spielautomaten installieren, die stark genutzt werden, und in der
Gaststube steht wieder ein neuer Billardtisch.
 


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